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Artenschutz in Bebauungsplänen

Ein Aspekt mit Konsequenzen 

Verstöße gegen das Artenschutzrecht des Bundesnaturschutzgesetzes können empfindliche Strafen nach sich ziehen und die Vollzugsfähigkeit und damit die rechtliche Wirksamkeit von Bebauungsplänen in Frage stellen. Durch die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, welche seit dem 01.03.2010 in Kraft gesetzt ist, wurde das deutsche Artenschutzrecht an die europäischen Vorgaben der Flora-Fauna- Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie angepasst, wobei diese das Artenschutzregime als eigenes Instrument für den Erhalt der Arten darstellen. Die Vorschriften betrachten dabei sowohl den physischen Schutz von Tieren und Pflanzen als auch ihrer Lebensstätten und sind somit unabhängig von den Schutzgebietskategorien nationaler oder internationaler Wertigkeit. Vor diesem Hintergrund müssen die Artenschutzbelange auch bei allen Bauleitplanverfahren in Nordrhein–Westfalen beachtet werden. Dabei wird in NRW ein fest umrissenes Artenspektrum einer dreistufigen Artenschutzprüfung unterzogen, welche nicht durch andere Prüfungen (z.B. Umweltverträglichkeitsprüfung) ersetzt werden kann. Im Zuge der verbindlichen Bauleitplanung ist in einem ersten Schritt die so genannte „Vorprüfung“ durchzuführen. Diese überschlägige Prognose klärt, ob und ggf. bei welchen planungsrelevanten Arten artenschutzrechtliche Konflikte zu erwarten sind. Der Begriff der planungsrelevanten Arten ist dabei ein Neologismus, der die Beschränkung aller europäisch geschützten FFH-Anhang-IVArten (streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse) und europäischer Vogelarten auf eine naturschutzfachliche Auswahl der Arten beschreibt.

Alle übrigen in Nordrhein-Westfalen vorkommenden europäischen Arten, die nicht „planungsrelevant“ sind, werden grundsätzlich nicht näher betrachtet. Dies betrifft insbesondere Vogelarten, die bei uns als „Allerweltsarten“ wie z.B. die Amsel bekannt sind. Neben dem Vorkommen der Arten ist zu prüfen, ob die Planungen und die von ihnen ausgehenden Wirkfaktoren geeignet sind, diese Arten zu beeinträchtigen. Wirkfaktoren sind dabei sowohl Beeinträchtigungen, die durch die Realisierung des Bebauungsplanes als auch durch die Baumaßnahmen an sich zu Tage treten. Auch der Verlust von Vegetationselementen ist in die Betrachtungen der Wirkfaktoren einzubeziehen, der zum Verlust z.B. von Aufenthaltsplätzen der Schlingnatter führen kann. In diesem Zusammenhang sind ferner auch Auswirkungen einer Planung mit Zerschneidungselementen zu prüfen (z.B. die Unterbrechung der Wanderkorridore von Amphibien). Nur wenn sicher dargelegt werden kann, dass keine planungsrelevanten Arten im Untersuchungsgebiet vorkommen oder die betrachteten Wirkfaktoren keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände auslösen, ist das Vorhaben aus artenschutzrechtlicher Sicht zulässig. Kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass dies der Fall ist, muss für die betroffenen Arten eine vertiefende Prüfung der Verbotstatbestände durchgeführt werden. Dabei ist zu ermitteln, wo, wann und wie europäisch geschützte Arten betroffen sind und unter welchen Umständen die Verbotstatbestände des Bundesnaturschutzgesetzes ausgelöst werden.

Um diese Frage sachgerecht zu beantworten, ist es notwendig, ausreichende Kenntnisse über die vom Vorhaben betroffenen Arten zu ermitteln. Dazu werden in einem ersten Schritt recherchierbare Daten zugrunde gelegt. Erst wenn diese nicht ausreichen, das Vorhaben eine sehr gravierende Beeinträchtigung darstellt bzw. das Artvorkommen von hoher Bedeutung ist, sind Kartierungen im Gebiet gerechtfertigt. Diese dürfen jedoch nicht „ins Blaue hinein“ durchgeführt werden und auch nicht zu einem lückenlosen Artinventar führen. Ist nach der genaueren Untersuchung ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes anzunehmen, so kann dieser durch geeignete Vermeidungsmaßnahmen mitunter erfolgreich abgewendet werden. Hierbei ist der aus der Eingriffsregelung bekannte Begriff „Vermeidung“ weiter zu fassen: Auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen, die dem Erhalt der ökologischen Funktion der Lebensstätte dienen bzw. den Erhaltungszustand der einer lokalen Population sichern, gehören dazu. Weitere Vermeidungsmaßnahmen können auch überlegungen zu Plan-alternativen oder Bauzeitenbeschränkungen sein. Für die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen gilt dabei immer: Sie müssen zum Zeitpunkt des Eingriffs wirksam sein. Diese Bestätigung kann dabei durch ein fachgutachterliches Votum erfolgen. Ist dieses Votum nicht zu generieren, kann die Wirksamkeit der Maßnahme durch ein Risikomanagement abgesichert und beobachtet werden. Hierbei wird wiederum fachgutachterlich mit Prognoseunsicherheiten die Wirksamkeit des Maßnahmenkonzeptes eingeschätzt. Somit soll ausgeschlossen werden, dass artenschutzrechtliche Verbote ausgelöst werden. Fehlen für diese Prognose die wissenschaftlichen Grundlagen, kann ein Monitoring zur Einzelfallbetrachtung an diese Stelle treten. Flankiert von Korrektur und Vorsorgemaßnahmen werden die Auswirkungen des Vorhabens beobachtet und als Controlling-Instrument mit den vorgesehenen steuernden Alternativmaßnahmen eingegriffen.

In einem nächsten Schritt der vertiefenden Prüfung ist abschließend zu prognostizieren, ob trotz allen ergriffenen Ma.nahmen weiterhin artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt werden. Ist dies der Fall und führt keine der ergriffenen Ma.nahmen zur Abwendung der Folgen, ist zu prüfen, ob ein artenschutzrechtliches Ausnahmeverfahren angestrebt werden kann. Bei diesem Ausnahmeverfahren besteht seitens der genehmigenden Behörde nur ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum, daher sollten vor dem Schritt in ein solches Verfahren sämtliche anderweitige Planungsmöglichkeiten geprüft worden sein. Der zentrale Punkt für eine Beurteilung ist dabei der Erhaltungszustand der Population einer Art auf Ebene der biogeografischen Region. Auch in diesem Zusammenhang können wiederum kompensatorische Ma.nahmen festgelegt werden, die dann jedoch nicht mehr direkt dem Erhalt der Population im Einflussbereich des Bebauungsplanes dienen, sondern den Erhaltungszustand der Population in der biogeografischen Region im Fokus haben. Auch diese Maßnahmen sind im Falle der Unsicherheit über die Wirksamkeit dann durch ein Risikomanagement zu begleiten. Fortsetzung „Artenschutz“ von Seite 1 Führen all diese Ma.nahmen nicht zu den gewünschten Ergebnissen hinsichtlich der Erhaltungszustände der Populationen, ist das Vorhaben, welches die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände hervorruft, nicht zulässig. Daher wäre der Bebauungsplan, der nur unter dem Verstoß gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirklicht werden könnte, nicht vollzugsfähig. Damit geht einher, dass dieser nicht erforderlich und somit nichtig ist. Aus all diesen Darstellungen folgt für die Aufstellung von Bebauungsplänen, dass der Artenschutz einen Belang darstellt, der nicht Gegenstand der Abwägung im Aufstellungsverfahren ist. Die genaue Analyse der artenschutzrechtlichen Umstände wird somit in Zukunft fester Bestandteil jedes bauleitplanerischen Verfahrens sein.

Wesentlich für die Erfolgssicherung sind an dieser Stelle eine gute vorbereitende Planung, eine vielschichtige Alternativenprüfung sowie ökonomische Vermeidungsmaßnahmen. Trotz einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik des Artenschutzes im Bauleitplanverfahren gewinnt er auch in den nachgeordneten baurechtlichen Zulassungen von Vorhaben eine immer stärker werdende Bedeutung, insbesondere dann, wenn die Analyse der artenschutzrechtlichen Aspekte nicht Gegenstand des bauleitplanerischen Verfahrens war. Der Artenschutz ist ein Aspekt, der bereits jetzt und verstärkt in der Zukunft seine Wirkung auf die Verfahren von Kommunen und privaten Vorhabenträgern entfalten wird. Aufgrund seiner direkten Rechtsverbindlichkeit und dem Entzug aus jeglicher Abwägung bekommt er ein besonderes Gewicht, das keine Ungenauigkeit und Passivität im Hinblick auf einen zügigen Verfahrensablauf zulässt. Daher ist es ratsam, dem Themenkomplex bereits in einer frühen Phase des Verfahrens offensiv zu begegnen und die Abstimmung und Kommunikation mit den Entscheidungsträgern zu suchen.

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Umweltplanung – Freiraumplanung

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