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Fremdwasser – ein Problem der Kanalisation

Sanierung gesetzlich vorgeschrieben

Fremdwasser, was ist das eigentlich?

Immer wieder wird der Begriff verwendet, in der Presse im Zusammenhang mit Kanalsanierungen und Pilotprojekten, in politischen Gremien und bei Verwaltungen, bei Diskussionen über die Abwasseranlagen auf privaten Grundstücken. Um dem Begriff Fremdwasser näher zu kommen, muss man sich erst einmal mit dem Thema Kanalisation insgesamt beschäftigen. Kanalisationsanlagen dienen in erster Linie dazu, Schmutzwasser (aus hygienischen Gründen) und Niederschlagswasser (aus Gründen des Wohnkomforts) aus den besiedelten Bereichen abzuführen. Eine erste große Entwicklung von technisch ausgefeilten Kanalisationsnetzen wird in römischer Zeit beobachtet. Nach dem Rückzug der Römer aus Deutschland ging das Wissen über die Kanalisationen offenbar weitgehend verloren. So erfolgte die Entsorgung der Fäkalien in den mittelalterlichen Städten dezentral aus den Abortgruben durch die sogenannten „Heimlichkeitsfeger“. Das Abwasser wurde gemeinsam mit dem Niederschlagswasser offen über die Straßen abgeleitet.

Nachdem man erkannte, dass durch diese Art der Abwasserentsorgung die Ausbreitung von Krankheiten begünstigt wurde, haben Ingenieure lange vor der Bildung der ökologischen Bewegungen Einrichtungen zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt geplant und gebaut. Durch die Einrichtung von Kanalisationsnetzen in den Städten wurden durchgreifende hygienische Verbesserungen erzielt. Durch die Ableitung der Abwässer in die Flüsse ergaben sich neue Probleme. Die konzentrierte Einleitung der Abwässer überstieg bald die Selbstreinigungskraft der Flüsse, sodass Anlagen zur Reinigung der Abwässer erforderlich wurden. Im Zuge der Einrichtung der Kanalisationsnetze in den Siedlungsbereichen wurde zunächst alles Wasser, das nicht für eine weitere Verwendung benötigt wurde, abgeleitet. Betrachtet man nun die Zusammensetzung der Abwasserströme, die durch Kanalisationsnetze abgeführt werden, stößt man auf den Begriff „Fremdwasser“. Nach DIN EN 752 wird als Fremdwasser „unerwünschter Abfluss in einem Entwässerungssystem“ bezeichnet.

Durch langjährige Forschungen wurde ermittelt, welche Wassermengen als Niederschlagswasser und Schmutzwasser anfallen und welche Belastung durch die Verschmutzung des Abwassers zu erwarten ist. Die Ergebnisse der Forschungen wurden in Regelwerken dokumentiert. Mit diesen Regelwerken steht dem Ingenieur bei der Planung von Kanalisationsnetzen und Abwasserbehandlungsanlagen ein Instrumentarium zur Verfügung, nach dem die Anlagen bemessen werden. Bei der Untersuchung bestehender Kanalisationsnetze zeigt sich aber regelmäßig, dass über die Netze auch Wasser abgeleitet wird, das nach den oben beschriebenen Regelwerken nicht vorhanden sein sollte, das sogenannte Fremdwasser. Fremdwasser tritt in folgenden Formen auf: durch Undichtigkeit in die Kanalisation eindringendes Grundwasser, unerlaubt über Fehlanschlüsse eingeleitetes Wasser sowie bei einem Schmutzwasserkanal durch z.B. Abdeckungen von Kanalschächten zufließendes Oberflächenwasser. Auch durch die Kanalisation abgeleitetes Bach- oder Drainagewasser wird zum Fremdwasser gezählt. Durch das Fremdwasser werden die Prozesse bei der Abwasserreinigung gestört, Anlagenteile über Gebühr belastet, Energiekosten unnötig erhöht und bei starkem Anfall auch Kanäle überlastet. Aus diesem Grunde belegt der Gesetzgeber Überschreitungen der zulässigen Fremdwasseranteile  mit der Zahlung einer Abgabe („Abwasserabgabe“).

Daher gehen die Bemühungen der Netzbetreiber aus rechtlichen, ökologischen, technischen und wirtschaftlichen Gründen dahin, den Fremdwasseranteil im Abwasser unter die zulässigen Grenzwerte zu reduzieren. Da diese Fehlerquellen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich der Kanäle zu finden sind, endet die Fremdwasserproblematik nicht an der Grundstücksgrenze. Der erhöhte Fremdwasseranfall führt bei der Abwasserableitung zu einer unnötigen hydraulischen Belastung des Kanals. Hierdurch kann es zu einer gesteigerten Abschlagsaktivität an den Entlastungsbauwerken (Regenüberlaufen und -überlaufbecken) kommen, die mit einer zusätzlichen Gewässerbelastung verbunden ist. Wird das Abwasser gepumpt, so ist infolge des Fremdwassers mit erhöhten Betriebskosten zu rechnen. Die Probleme infolge des Fremdwassers beschränken sich aber nicht nur auf den Bereich des Kanalsystems, auch auf den Prozess der Abwasserreinigung wirkt sich die Fremdwasserbelastung maßgeblich aus. So verkürzen sich die Aufenthaltszeiten in den Reaktoren, die Konzentrationen liegen infolge der Verdünnung auf einem niedrigen Niveau, wodurch die Prozesse der Reinigung grundsätzlich langsamer verlaufen. Gegebenenfalls ist mit einem negativen Einfluss der geringen Temperatur des Fremdwassers zu rechnen. Betrachtet man die Fracht, die im Ablauf der Kläranlage ins Gewässer geleitet wird, so wird das ursprünglich unbelastete Fremdwasser im Ablauf der Kläranlage zu einem belasteten Strom. Die rechnerische Frachtelimination (Zulauf/Ablauf) liegt zum Teil weit unter den Zielwerten der EU-Richtlinie, in der beispielsweise für den Parameter Stickstoff eine mindestens 75%-ige Elimination gefordert wird. Werden das Fremdwasser dagegen eliminiert und das unbelastete Wasser direkt dem Gewässer zugeführt, so kann das Gewässer an der Einleitstelle des gereinigten Abwassers eine deutlich größere Menge unverschmutztes Wasser bereitstellen. Dadurch sind die Auswirkungen für das Gewässer geringer.

Zur Eindämmung des Fremdwassers sind daher Sanierungsmaßnahmen in vielen bestehenden Kanalnetzen aus unterschiedlichsten Problemstellungen heraus notwendig. Indikatoren für das Vorliegen eines überhöhten Fremdwasserzulaufes sind regelmäßig hohe Zuläufe auf Kläranlagen bei Trockenwetter, vor allem im Winterhalbjahr. Liegen diese deutlich über den zu erwartenden Trockenwetterabflüssen, handelt es sich hierbei mit hoher Wahrscheinlichkeit um Infiltration von Fremdwässern in das Kanalnetz. Grundsätzlich stehen verschiedene Sanierungsstrategien zur Beseitigung des Fremdwassers zur Verfügung. Welche dieser Sanierungsstrategien im Einzelfall geeignet ist, muss letztlich im Rahmen von Detailplanungen untersucht und erarbeitet werden. Sowohl eine klassische Sanierung des vorhandenen Kanalnetzes unter Beibehaltung des vorhandenen Entwässerungssystems ist möglich, wie auch bei Mischsystemen eine Umstellung auf Trennsysteme. An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass eine Umstellung von Mischsystem auf Trennsystem nicht, wie teilweise angepriesen, das Allheilmittel gegen Fremdwasser ist. Insbesondere bei Einzugsgebieten mit einer potenziellen Verschmutzung des Oberflächenwassers sind Mischsysteme sicherer. Maßgeblich für eine effektive Elimination des Fremdwassers sind die Lokalisierung der Fremdwasserquellen und die Verfolgung bis zur eigentlichen Anfallstelle u.a. auch auf Privatgrundstücken. Sind die Fremdwasseranfallstellen erkannt, ist der Zufluss zum Kanalisationsnetz zu unterbinden. Um nachteilige Effekte, wie z.B. Aufstau von Drainagewasser und dadurch bewirkte Vernässungen in Kellern, zu vermeiden, ist im Einzelfall zu entscheiden, ob und in welchem Umfang alternative Ableitungsleitungen für das Fremdwasser geschaffen werden müssen.

Abhängig von den örtlichen Randbedingungen (Zustand der Leitungen, Kanaltiefe, Art der Oberflächenbefestigung usw.) sind sowohl Sanierung durch Erneuerung wie auch durch Reparatur oder Renovierung möglich. Eine Sanierung der gemeindlichen Kanalisation verspricht, wie bereits oben beschrieben, aber nur dann Erfolg, wenn auch die Hausanschlussleitungen saniert und alle auf den Grundstücken angetroffenen Fremdwasserquellen abgetrennt werden. In Nordrhein-Westfalen ist der Umgang mit den privaten Abwasseranlagen seit dem 01.01.2008 im Landeswassergesetz geregelt. Durch die gesetzlich geforderte Überprüfung und Sanierung der Kanalisationsnetze und der  privaten Abwasserleitungen wird langfristig der Fremdwasseranteil verringert werden. Standardlösungen „nach Rezept“ gibt es für die Fremdwasserbeseitigung nicht. Die Erarbeitung der individuellen Konzepte und Sanierungsplanungen zur Fremdwasserbeseitigung ist eine klassische Ingenieurleistung, die bei der PE Becker GmbH zum Arbeitsfeld der Abteilung Tiefbau gehört. Aktuell werden zwei große Projekte zur Beseitigung von Fremdwasser in der Gemeinde Kall bearbeitet, die durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert werden.

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