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Standardisiertes Verfahren zur Landschaftsbildbewertung beim Bau von Windenergieanlagen

Das Landschaftsbild ist eines der Schutzgüter, die innerhalb der Umweltprüfung zu berücksichtigen sind. Anders als andere Untersuchungsgegenstände werden Auswirkungen von Bauvorhaben auf das Schutzgut Landschaft unmittelbar durch Jedermann wahrgenommen. Oftmals sind mit Eingriffen in das Erscheinungsbild der Landschaft emotionale Reaktionen verbunden. Für viele Menschen bedeuten Windenergieanlagen (WEA) einen Bruch mit vertrauten Sehgewohnheiten. Optische Beeinträchtigungen werden als eine Bedrohung für die kulturelle Identität und das Heimat-Empfinden wahrgenommen.

In den vergangenen Jahrhunderten unterlag die Landschaft Mitteleuropas massiven Veränderungen durch die wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit und die damit verbundene Landnutzung. Nach der Industrialisierung und dem darin begründeten Wachstum von Agglomerationsräumen und Infrastruktur erleben wir in der jüngeren Vergangenheit eine neue Art der Veränderung des Landschaftsbildes:

WEA sind in der gesamten Bundesrepublik ein wichtiger Pfeiler der Energiewende, stellen uns jedoch vor eine neue Herausforderung hinsichtlich des Landschaftsbildes. Die Neufassung des Windenergieerlasses vom 04.11.2015 bezweckt grundsätzlich eine Konzentration von WEA an besonders geeigneten Standorten, wodurch eine Beruhigung des Landschaftsbildes bewirkt und Wildwuchs verhindert werden soll. Dennoch werden WEA zur optimalen Nutzung als regenerativer Energieerzeuger in exponierten Lagen errichtet werden müssen, wodurch im Bereich dieser Konzentrationen das Landschaftsbild dann erheblich und für die Betriebsdauer der Anlagen auch nachhaltig beeinträchtigt wird. Im neuen Windenergieerlass wird fixiert, dass Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch den Bau von WEA aufgrund der Anlagenhöhe nicht im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes ausgleichbar sind. Der Vorgängererlass aus dem Jahr 2011 stützte sich hinsichtlich der Auswirkungen von WEA auf das Landschaftsbild größtenteils auf die bis dato vorliegende Rechtsprechung. Im Erlass 2011 wurde keine pauschale Beeinträchtigung des Landschaftsbildes angenommen, sondern vielmehr auf Einzelfallentscheidungen verwiesen. Ein standardisiertes Bewertungsverfahren und eine Vorgabe zur Ermittlung eines Ersatzgeldes fehlten gänzlich. Die Landschaftsbildbewertung beim Bau von WEA wurde wegen fehlender Vorgaben in der jüngeren Vergangenheit innerhalb von Nordrhein-Westfalen unterschiedlich gehandhabt. Dadurch machte eine stark subjektive Prägung der Bewertungsverfahren die Eingriffsermittlung und Festsetzung des Kompensationsbedarfes fehleranfällig und unvergleichbar.

Mit dem neuen Windenergieerlass gibt Nordrhein-Westfalen erstmalig eine landesweit einheitliche Berechnungsweise für Ersatzzahlungen vor. Diese Standardisierung der Landschaftsbildbewertung ist eine der wesentlichen Neuerungen des Erlasses 2015. Demnach berechnet sich das Ersatzgeld für den Eingriff in das Landschaftsbild aus zwei Faktoren: einer Wertstufe („sehr gering / gering“, „mittel“, „hoch, besondere Bedeutung“ und „sehr hoch, herausragende Bedeutung“), welche die Qualität des Landschaftsbildes beschreibt im Umkreis der 15-fachen Anlagenhöhe (Gesamthöhe aus Nabenhöhe und Rotorblattlänge) und der Anlagenhöhe im Metern. Den vier Wertstufen ist für die Ermittlung des Ersatzgeldes jeweils ein Eurobetrag, gestaffelt in drei Kategorien (bis zu zwei WEA, drei bis fünf WEA, ab sechs WEA) aus der nachfolgenden Tabelle zugewiesen.

Zur Ermittlung des Wertes der Landschaftsbildeinheiten hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) eine landesweite Einstufung vorgenommen. Innerhalb der „Fachbeiträge des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ zu den Regionalplanentwürfen Arnsberg, Düsseldorf und Münster liegen die vorgegebenen Wertstufen für die einzelnen Landschaftsbildeinheiten bereits vor. Diese dienen Planern als Bemessungsgrundlage für die Eingriffsermittlung. Durch die vorgegebenen Bewertungen werden subjektive Wahrnehmungen weitestgehend minimiert und die landesweite Vergleichbarkeit der Landschaftsbildbewertung gewährleistet. Für Regionen, in denen noch keine Bewertung der Landschaftsbildeinheiten vorliegt, ist das Ersatzgeld durch das Verfahren in Anlage 1 des Erlasses zu ermitteln.

In der Anlage wird das „Verfahren zur Landschaftsbildbewertung im Zuge der Ersatzgeld-Ermittlung für Ein griffe in das Landschaftsbilddurch den Bau von Windenergieanlagen“ erläutert.

Sollten durch Repowering ältere WEA zurück-gebaut, oder Kompensationsmaßnahmen im Untersuchungsraum durchgeführt werden, welche zu einer nachhaltigen Gliederung und Anreicherung des Landschaftsbildes beitragen, können diese abweichend vom Regelfall auch den Eingriff in das Schutzgut Landschaft und damit das Ersatzgeld reduzieren. Besonders der Rückbau älterer WEA stellt gemäß Erlass eine erhebliche Entlastung des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes dar. Für die zurück zu bauenden WEA wird daher nach gleichem Verfahren ein fiktives „Ersatzgeld“ errechnet, welches dann von dem Kompensationserfordernis der neuen WEA subtrahiert wird.

Der neue Windenergieerlass standardisiert und konkretisiert das Verfahren der Landschaftsbildbewertung und gibt eine klare Vorgehensweise zur Ermittlung des Ersatzgeldes für Eingriffe in das Schutzgut Landschaft durch den Bau von WEA vor. Es wird herausgestellt, dass Eingriffe in das Landschaftsbild durch den Bau von WEA in der Regel nicht real kompensierbar sind.

Der Erlass bietet dennoch die sinnvolle Möglichkeit, das Ersatzgeld für den Bau von WEA durch geeignete Kompensationsmaßnahmen oder den Rückbau von Altanlagen zu reduzieren. Durch das landesweit standardisierte Bewertungsverfahren sowie das einheitliche Vorgehen zur Ermittlung des Ersatzgeldes gelingt es, mit dem neuen Windenergieerlass eine objektivere Vorgehensweise bei der Landschaftsbildbewertung zu etablieren.